MARKTKOMMENTAR
November 2025
Auch wenn es sich im goldenen Herbst noch nicht so anfühlt, steht der Winter vor der Tür. Für die Energiewirtschaft stets eine dynamische Zeit, da Temperatur und Meteorologie stärker als sonst die Preise beeinflussen. Über Heizlast, Gasverbrauch und Ausspeicherung bestimmt das Wetter nicht nur die kurzfristigen Spotmarktpreise, sondern auch die langfristigen Terminmarktpreise. Denn ein kalter Winter hat wegen der Gasspeichersituation direkten Einfluss auf die kommenden Jahreszeiten.
Denken wir noch weiter als bis ins nächste Jahr, werden wir uns unserer Permanenz auf Erden bewusst. Um unsere Klimaschäden abzufedern, müssen wir Emissionen einsparen, was über den CO2-Preis ebenso direkt die Energiepreise betrifft. Wieviele CO2-Zertifikate ausgegeben werden, hängt von den Klimazielen ab. Mit Spannung erwartet wird die Entscheidung zu den EU-Reduktionszielen seitens der EU-Institutionen im November. Sollen 80% oder 90% oder etwas dazwischen bis 2040 eingespart werden? Am 04.11.25 tagt der EU-Rat, am 14.11.25 folgt das Parlament. Sie sehen: Zahlreiche Einflussfaktoren überlagern sich bei der Preisgestaltung. Wir wagen dennoch einen Analyse- und Vergleichsversuch zu den letzten Winterperioden, um daraus eine Preiserwartung für die kommenden Monate abzuleiten.
CO2
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Von Winter 23 auf Winter 24 sind die CO2-Preise um lediglich 2,5 % gestiegen – und das in einem Umfeld steigender Gaspreise. Eigentlich hätte dieser Preisdruck über den Fuel-Switch auch die CO2-Preise mit in die Höhe ziehen können. Eine geringere Nachfrage nach Emissionszertifikaten wirkte jedoch dämpfend.
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Für 2026 wird allerdings eine Unterversorgung am CO2-Markt mit preislichem Aufwärtspotential erwartet – ob sich das bereits auf diesen Winter auswirken wird, ist fraglich.
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Einfluss auf die CO2-Kursentwicklung dürften vor allem die erwähnten Schlagzeilen rund um die EU-Klimaziele haben. Diskutiert werden unter anderem eine mögliche Ausweitung der zulässigen internationalen Credits über die bislang vorgeschlagenen 3 % ab 2036 hinaus sowie die Anrechnung von Carbon Capture and Storage (CCS) zur Zielerreichung. Nachhaltig dürfte ein Preisanstieg aufgrund der stabilen Fundamentalsituation aber nicht werden. Dazu kommen wir jetzt.
Gas
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Der Gaspreis bleibt ein zentraler Treiber der Strompreise und ist in der Wintersaison maßgeblich beeinflusst durch die Temperatur. In Deutschland werden bei einer Außentemperatur 1,79 °C rund 3.400 GWh Gas pro Tag verbraucht - 1,79 °C ist die durchschnittliche Dezember-bis-Februar-Temperatur der Jahre 2000 bis 2024. Steigt die Temperatur auf 4 °C (wie im Winter 23/24), sinkt der Tagesverbrauch auf etwa 2.950 GWh/Tag. Der Winter 24/25 war im Schnitt hingegen kühler (2,2 °C) und verzeichnete mit 3.250 GWh/Tag einen entsprechend höheren Gasverbrauch.
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Neben der Temperatur spielen auch Gasspeicherfüllstände zu Winterbeginn und die LNG-Verfügbarkeit eine große Rolle. So lag der durchschnittliche Gaspreis am THE im Winter 23/24 bei etwa 31 EUR/MWh, zwölf Monate später bereits bei rund 49 EUR/MWh. Ende März 2025 waren die europäischen Speicher nur noch zu rund 34 % gefüllt. Leere Speicher sorgen für hohe Nachfrage.
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Seriöse Temperaturprognosen für den Winter 25/26 sind noch nicht möglich, aber Szenarien lassen sich ableiten. Analysten, unter anderem wir, rechnen je nach Temperaturverlauf mit Füllständen zwischen 20 % und 55 % am Ende des Winters 25/26. Augenscheinlich hat ein kalter Winter erhebliche Folgen für das Preisniveau.
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Trotzdem sollte man nicht auf hohe Gaspreise spekulieren: Das LNG-Angebot ist deutlich gestiegen und auch die Preiskonkurrenz zu Asien bleibt (noch) moderat. Aktuell sorgt die sehr stabile LNG-Versorgung für leicht sinkende Gaspreise seit Ende des Sommers. Fundamental ist das Aufwärtspotenzial begrenzt.
Erzeugung
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Die französische AKW-Erzeugung ist wieder in der „Range“. Deshalb ist auch mit steigendem Output im Winter zu rechnen. Über allem steht allerdings das Alter der Kraftwerksflotte: Knapp 40 Jahre sind es inzwischen und ein Problem an einem der Kraftwerke kann sich schnell kaskadenartig auswirken.
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Während die PV-Erzeugung naturgemäß abnimmt, liefert Wind im Herbst deutlich mehr Strom: über 60 GW im Dezember-bis-Februar-Schnitt der letzten Jahre. Der Rekord lag übrigens im Februar 2022 bei 75,84 GW. Auch im letzten Monat, im Oktober, erzeugte Wind in Deutschland zeitweise 47 GW und drückte damit den Spotpreis auf ein Wochenmittel von 57 EUR/MWh. Insgesamt lag der Oktober bei den Strom-Spotpreisen jedoch im Jahresmittel.
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Mit Blick auf den Winter müssen wir aber feststellen: Langfristige Windprognosen sind unsicher, weshalb wir hier nur auf die Möglichkeit einer Flaute mit steigenden Preisen hinweisen können – Risiko für die Beschaffungsseite, Chance für Erzeugungsanlagen.
Strompreisvergleich in Europa
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Im Vergleich der Winter 23/24 und 24/25 lagen die Strompreise zuletzt im Mittel deutlich höher. Neben den gestiegenen Gaspreisen war dafür auch eine geringere Erneuerbaren-Erzeugung verantwortlich: Der Anteil der EE-Erzeugung sank EU-weit von 44 % auf 40 %, in Deutschland sogar um 9 %-Punkte.
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In Rumänien reduzierte sich das EE-Angebot um 12 %-Punkte und die Spotpreise stiegen über die sechs Monate von 85,02 auf 133,07 EUR/MWh (+57 %!).
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Ein Gegenbeispiel ist Estland: Dort stieg der EE-Anteil an der Netzlast von 21 % auf 32 %. Die Preise legten zwar ebenfalls zu, allerdings lediglich um 5,84 EUR/MWh.
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In Polen blieb die Erzeugung konstant und der Preis erhöhte sich um 31 %. Polen ist mit dem hohen Kohle-Anteil im Strommix aber auch etwas gesondert zu betrachten.
Fassen wir zusammen: Haupteinflussfaktoren für potenziell hohe Preise im Winter 25/26 sind kalte Temperaturen, Preisdruck aus Asien, ungeplante Ausfälle von AKWs sowie eine schwache Erneuerbaren-Erzeugung. Für mittlere Szenarien, in denen keines dieser Ereignisse in extremer Form eintritt, erachten wir die aktuellen Marktpreise als balancierte Marktschnittpunkte – sowohl für die Erzeugung als auch für den Endverbrauch.
Was bedeutet das? Die Märkte stehen im Gleichgewicht. Grundsätzlich herrscht eher preisdämpfender Druck, ausgelöst durch starkes LNG-Angebot und milde Wetteraussichten, weshalb sich die Gas-Terminmärkte seit Sommer in einem Abwärtstrend befinden. Im Strom hingegen fehlen klare Signale, hier gleichen sich fundamentale und politisch-spekulative Faktoren aus. Und selbst wenn es zu einem kurzen Preisanstieg durch die Entscheidung zu den EU-Klimazielen kommt, gehen wir und weitere Analysen nicht von einem nachhaltigen Trend aus. Aktuell beherrscht also noch keine wintertypische Dynamik die Energiemärkte… Ob das so bleibt, sehen wir im nächsten Monat, wenn sich die Temperaturaussichten für den Jahresbeginn 2026 schärfen und wenn wir wissen, wie viel CO2 bis 2040 eingespart werden muss.
Ihr Felix Diwok
Für das Team der Inercomp